Elementares Schreiben – Schnappschüsse

Elementares Schreiben
Schnappschüsse

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Für die meisten von uns dürfte die Smartphone-Kamera ein ständiger Begleiter im Alltag sein. Wie praktisch das ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Ein besonders malerischer Sonnenuntergang – KLICK. Ein absurdes Werbeplakat, das den Blick auf sich zieht – KLICK. Einerseits ist das ein luxuriöser Zustand. Andererseits verpassen wir dadurch womöglich die Gelegenheit, uns in einer ganz besonderen Form des Notierens zu üben. Und genau die möchte ich heute vorstellen.

Das Format der literarischen Fotografie geht zurück auf den Schweizer Schriftsteller und Filmemacher Peter K. Wehrli. Über Jahrzehnte hinweg hat Wehrli für seinen "Katalog von allem" auf poetische und spielerische Weise alles, was ihm in der Welt begegnete, in Prosaminiaturen festgehalten. Ein Beispiel gefällig?

das Blättern
das suchend unsichere Blättern des Schalterbeamten im Bahnhof Zürich in Preislisten und Streckenverzeichnissen, weil er nur selten eine solche Fahrkarte ausstellen muß.

Wehrlis Ansatz ist es, scheinbar banale oder alltägliche Dinge in eine neue, oft überraschende Perspektive zu rücken. Jeder Eintrag ist wie ein kleiner literarischer Schnappschuss, der das Gesehene oder Gedachte mit Klarheit und Originalität einfängt. Diese kurzen Texte sind oft humorvoll und immer prägnant, sie laden dazu ein, das Alltägliche mit neuen Augen zu betrachten. Wehrlis Miniaturen sind ein wenig, als würde man jemandem im Moment des Fotografierens in den Kopf gucken, statt nur das fertige Foto zu sehen.

Der Katalog von allem mit seinen 1111 literarischen Schnappschüssen ist keine herkömmliche Liste, sondern eine Sammlung von Momentaufnahmen, die zusammen eine Art literarisches Universum schaffen. Es geht Wehrli nicht um Vollständigkeit, sondern darum, das Alltägliche in eine poetische Form zu bringen und die Vielfalt und Merkwürdigkeit der Welt zu feiern.

der Tempel
der kulissenreich getünchte Tempel, welcher der Bahnhof von Lomazzo, wobei mich weniger der Tempelbahnhof verblüfft, als vielmehr die Art, wie er sekundenschnell wie auf einer Kinoleinwand im Fensterrahmen aufblinkt.

Wehrlis literarische Fotografien regen dazu an, innezuhalten und die Welt mit einem schärferen, neugierigeren Blick zu betrachten. Sie sind eine Hommage an die Vielfalt des Lebens und die Fähigkeit des Menschen, in jedem noch so kleinen Detail eine Geschichte zu entdecken.

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Schreibaufgabe

Lasst das Smartphone für die nächsten Wochen lieber in der Tasche, wenn euch etwas Bemerkenswertes über den Weg läuft. Zückt stattdessen Notizbuch und Stift und haltet eure Beobachtung in einem literarischen Foto fest. Gebt eurer Beobachtung zunächst einen Titel. Anschließend solltet ihr das Motiv eurer Miniatur benennen und konkretisieren. Zuletzt solltet ihr kurz etwas zur Bedeutung des Fotos für euch festhalten. Was ist der Grund eurer Faszination? Warum soll genau diese Beobachtung schriftlich fixiert werden? Viel Spaß dabeil!

Zum Nachlesen: Wehrli, Peter K. Katalog von Allem: 1111 Nummern aus 31 Jahren. Goldmann, 2000.

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Für die meisten von uns dürfte die Smartphone-Kamera ein ständiger Begleiter im Alltag sein. Wie praktisch das ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Ein besonders malerischer Sonnenuntergang – KLICK. Ein absurdes Werbeplakat, das den Blick auf sich zieht – KLICK. Einerseits ist das ein luxuriöser Zustand. Andererseits verpassen wir dadurch womöglich die Gelegenheit, uns in einer ganz besonderen Form des Notierens zu üben. Und genau die möchte ich heute vorstellen.

Das Format der literarischen Fotografie geht zurück auf den Schweizer Schriftsteller und Filmemacher Peter K. Wehrli. Über Jahrzehnte hinweg hat Wehrli für seinen "Katalog von allem" auf poetische und spielerische Weise alles, was ihm in der Welt begegnete, in Prosaminiaturen festgehalten. Ein Beispiel gefällig?

das Blättern
das suchend unsichere Blättern des Schalterbeamten im Bahnhof Zürich in Preislisten und Streckenverzeichnissen, weil er nur selten eine solche Fahrkarte ausstellen muß.

Wehrlis Ansatz ist es, scheinbar banale oder alltägliche Dinge in eine neue, oft überraschende Perspektive zu rücken. Jeder Eintrag ist wie ein kleiner literarischer Schnappschuss, der das Gesehene oder Gedachte mit Klarheit und Originalität einfängt. Diese kurzen Texte sind oft humorvoll und immer prägnant, sie laden dazu ein, das Alltägliche mit neuen Augen zu betrachten. Wehrlis Miniaturen sind ein wenig, als würde man jemandem im Moment des Fotografierens in den Kopf gucken, statt nur das fertige Foto zu sehen.

Der Katalog von allem mit seinen 1111 literarischen Schnappschüssen ist keine herkömmliche Liste, sondern eine Sammlung von Momentaufnahmen, die zusammen eine Art literarisches Universum schaffen. Es geht Wehrli nicht um Vollständigkeit, sondern darum, das Alltägliche in eine poetische Form zu bringen und die Vielfalt und Merkwürdigkeit der Welt zu feiern.

der Tempel
der kulissenreich getünchte Tempel, welcher der Bahnhof von Lomazzo, wobei mich weniger der Tempelbahnhof verblüfft, als vielmehr die Art, wie er sekundenschnell wie auf einer Kinoleinwand im Fensterrahmen aufblinkt.

Wehrlis literarische Fotografien regen dazu an, innezuhalten und die Welt mit einem schärferen, neugierigeren Blick zu betrachten. Sie sind eine Hommage an die Vielfalt des Lebens und die Fähigkeit des Menschen, in jedem noch so kleinen Detail eine Geschichte zu entdecken.

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Schreibaufgabe

Lasst das Smartphone für die nächsten Wochen lieber in der Tasche, wenn euch etwas Bemerkenswertes über den Weg läuft. Zückt stattdessen Notizbuch und Stift und haltet eure Beobachtung in einem literarischen Foto fest. Gebt eurer Beobachtung zunächst einen Titel. Anschließend solltet ihr das Motiv eurer Miniatur benennen und konkretisieren. Zuletzt solltet ihr kurz etwas zur Bedeutung des Fotos für euch festhalten. Was ist der Grund eurer Faszination? Warum soll genau diese Beobachtung schriftlich fixiert werden? Viel Spaß dabeil!

Zum Nachlesen: Wehrli, Peter K. Katalog von Allem: 1111 Nummern aus 31 Jahren. Goldmann, 2000.

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