Twenty Something Kur

Erschütternde Lektüren
Twenty Something Kur

Ein bisschen peinlich berührt bin ich schon, wenn ich an mich mit Mitte 20 zurückdenke. Als Philosophiestudent war ich in der Phase angekommen, in der man glaubt, die Welt verstanden zu haben (in all ihrer Komplexität und vor allem im Gegensatz zu Nicht-Philosophen). Ich schrieb vorrangig Kurzgeschichten und Prosaminiaturen, gab meine Texte auf Lesungen zum Besten und stand in regem Austausch mit anderen Jungautor:innen. Wenn ich Romane las, bildete ich mir ein, das alles schon zu kennen. Immerhin hatte ich noch volles Haar. Aus meiner literarischen Arroganz befreit hat mich Unendlicher Spaß von David Foster Wallace.

Gekauft habe ich mir das Buch, um ehrlich zu sein, weil ein Freund sagte, dass niemand den Roman zu Ende lesen könnte – meine Taschenbuchausgabe kommt immerhin auf stolze 1545 Seiten – und ich ihm zeigen wollte, aus welchem Leser-Holz ich geschnitzt bin. Ich hatte ja keine Ahnung, was mich erwartet.

Meine stumme Reaktion auf das erwartungsvolle Schweigen beeinträchtigt die Atmosphäre. Die von den Lüftungsschächten der Klimaanlage aufgewirbelten Staubpartikel und Sakkuflusen tanzen besoffen in der schräggeschäfteten Sonnensäule, und die Luft über dem Tisch gleicht dem durchsprühten Raum über einem frisch eingeschenkten Mineralwasser

Die ersten 150 Seiten von Unendlicher Spaß habe ich wie im Rausch weggeatmet. Ich konnte nicht fassen, was ich da vor mir hatte. Den Roman hier zusammenfassen zu wollen, ist gerade zu absurd. Unendlicher Spaß ist ein Feuerwerk an Plotlinien, Figuren, Perspektiven, Ideen, Sprachspielen und Endnoten.

Auf den ersten Blick scheint David Foster Wallace sich hier alle nur erdenklichen literarischen Freiheiten zu nehmen. Er mischt Sprachniveaus, erlaubt sich mitten im Satz die Erzählperspektive zu wechseln und spielt mit der Chronologie der vielen Handlungsstränge. Manchmal muss man mehrere 100 Seiten warten, bis sich ein Cliffhanger einlöst und nach der letzten Seite des Romans sind längst nicht alle Fragen geklärt.

Unendlicher Spaß ist kein leicht zu lesendes Buch. Zwei, drei Wochen meiner Semesterferien habe ich kaum etwas anderes getan, als mit dem Buch auf dem Balkon zu sitzen oder im Park auf einer Wiese zu liegen. Unendlicher Spaß ist ein sehr cleveres Buch, das alle Geschütze auffährt, die die literarische Avant Garde zu bieten hat. Vor allem aber – und genau das macht den Roman für mich zu einer erschütternden Lektüre – ist Unendlicher Spaß ein wahnsinnig unterhaltsames und schönes Buch.

Zu keiner Zeit hatte ich den Eindruck, die cleveren Einfälle des Romans hätten keine Funktion für die Geschichte. Zu keiner Zeit hatte ich den Eindruck Unendlicher Spaß will mir zeigen, wie clever David Foster Wallace ist. Der Roman hat mir als Leser Einiges abverlangt, aber er hat mich auch immer wieder mit gerade magischen Stellen für meinen Einsatz belohnt.

Mit aller Ehrlichkeit in der Selbstbetrachtung, die ich mit Mitte 20 aufbringen konnte, musste ich mir eingestehen, dass das für meine eigenen Texte nicht galt. Meine kleine literarischen Spielereien sollte sehr wohl zeigen, wie clever ich bin und sie interessierten sich nicht sonderlich für ihre Leser:innen.

David Foster Wallace wurde für mich zu einem enorm wichtigen Autoren. Hier war einer, dessen Texte witzig und klug, philosophisch und albern, ernst und ironisch zugleich waren. Die Auseinandersetzung mit seinem Werk hat mir enorm geholfen, herauszufinden, was für Texte ich selbst schreiben will. Sie hat mir die Begeisterung fürs Lesen zurückgebracht und die Bereitschaft, mich von Texten verzaubern zu lassen. Vor allem aber habe ich von David Foster Wallace gelernt, dass ich mir beim Schreiben nur dann alles erlauben kann, wenn ich den Lesenden im Gegenzug auch etwas anzubieten habe.

FS

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Die ersten 150 Seiten von Unendlicher Spaß habe ich wie im Rausch weggeatmet. Ich konnte nicht fassen, was ich da vor mir hatte. Den Roman hier zusammenfassen zu wollen, ist gerade zu absurd. Unendlicher Spaß ist ein Feuerwerk an Plotlinien, Figuren, Perspektiven, Ideen, Sprachspielen und Endnoten.

Auf den ersten Blick scheint David Foster Wallace sich hier alle nur erdenklichen literarischen Freiheiten zu nehmen. Er mischt Sprachniveaus, erlaubt sich mitten im Satz die Erzählperspektive zu wechseln und spielt mit der Chronologie der vielen Handlungsstränge. Manchmal muss man mehrere 100 Seiten warten, bis sich ein Cliffhanger einlöst und nach der letzten Seite des Romans sind längst nicht alle Fragen geklärt.

Unendlicher Spaß ist kein leicht zu lesendes Buch. Zwei, drei Wochen meiner Semesterferien habe ich kaum etwas anderes getan, als mit dem Buch auf dem Balkon zu sitzen oder im Park auf einer Wiese zu liegen. Unendlicher Spaß ist ein sehr cleveres Buch, das alle Geschütze auffährt, die die literarische Avant Garde zu bieten hat. Vor allem aber – und genau das macht den Roman für mich zu einer erschütternden Lektüre – ist Unendlicher Spaß ein wahnsinnig unterhaltsames und schönes Buch.

Zu keiner Zeit hatte ich den Eindruck, die cleveren Einfälle des Romans hätten keine Funktion für die Geschichte. Zu keiner Zeit hatte ich den Eindruck Unendlicher Spaß will mir zeigen, wie clever David Foster Wallace ist. Der Roman hat mir als Leser Einiges abverlangt, aber er hat mich auch immer wieder mit gerade magischen Stellen für meinen Einsatz belohnt.

Mit aller Ehrlichkeit in der Selbstbetrachtung, die ich mit Mitte 20 aufbringen konnte, musste ich mir eingestehen, dass das für meine eigenen Texte nicht galt. Meine kleine literarischen Spielereien sollte sehr wohl zeigen, wie clever ich bin und sie interessierten sich nicht sonderlich für ihre Leser:innen.

David Foster Wallace wurde für mich zu einem enorm wichtigen Autoren. Hier war einer, dessen Texte witzig und klug, philosophisch und albern, ernst und ironisch zugleich waren. Die Auseinandersetzung mit seinem Werk hat mir enorm geholfen, herauszufinden, was für Texte ich selbst schreiben will. Sie hat mir die Begeisterung fürs Lesen zurückgebracht und die Bereitschaft, mich von Texten verzaubern zu lassen. Vor allem aber habe ich von David Foster Wallace gelernt, dass ich mir beim Schreiben nur dann alles erlauben kann, wenn ich den Lesenden im Gegenzug auch etwas anzubieten habe.

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